Die Geschichte des Kinderhauses


Das Kinderhaus Obernau erzählt seine spannende 120-jährige Lebensgeschichte!

 

 

Der Pädagoge Wilhelm Fröbel, Begründer der Kindergärten in Deutschland, war schon vor 45 Jahren gestorben, als ich am …

 

10. Nov 1897  

… das Licht der Welt im Schulhaus in der Sulzbacher Straße erblickt habe. Krieg und Industrialisierung hatten die Frauen aus dem Haushalt heraus und hinaus auf die Felder und in die Fabriken gezogen, und so hatte ich als „Kleinkinderschule“ von Anfang an bereits 85 Kinder, alle in einem Raum und betreut von einer katholischen Ordensschwester.
Mein „Aufsichtsgeld“ für diesen Dienst betrug 0,20 DM pro Woche. Wer sich den Luxus einer Schulspeisung (Suppe) leisten wollte, dem stellte ich einen Aufpreis von 0,5 DM in Rechnung!

 

1902  

… wurde ich in die Obhut des Krankenpflegevereins Obernau übergeben. Er wurde von Ordensschwestern geführt und finanzierte sich aus Vereinsbeiträgen, dem Gehalt der Schulschwestern, aus Spenden und natürlich dem Aufsichtsgeld. Doch schon im ...

Mai 1921

… platze die Schule aus allen Nähten und ich musste Platz machen. Zum ersten Mal hatte man mir in der Schulstraße ein eigenes Haus gebaut! In dem Flachbau hinter der Schule haben meine 80 Kinder nun immerhin einen eigenen 84 qm großen Raum gehabt - leider ohne Waschraum.
Aber was toll war: im Winter konnte ich mich durch eine klappbare Abteilung auf 47 qm verkleinern – und das war gut so, denn sonst wären mir wohl in den kalten Wintern und dem großen Raum unter dem nackten Flachdach meine Kinder erfroren!

1954

wurde dann der St. Peter Paul Verein Obernau e.V. gegründet. Endlich kümmerte sich mal einer so richtig um mich! Naja, und noch um die ambulante Krankenpflege. Aber immerhin! Und das war auch höchste Zeit, denn in den letzten Jahren waren so viele Kinder hinzugekommen, dass ich förmlich aus allen Nähten platze!

 

Januar 1957

Endlich! Der St. Peter Paul Verein erweiterte den Bau in der Schulstraße um ein Drittel auf 105qm. Alles wurde jetzt super modern: der Gruppenraum war nun über zusätzliche Holzfaltwände abteilbar geworden und hat – unglaublich - eine Garderobe!
Aber das Beste kam erst noch: ich bekam einen eigenen Waschraum! Und als ob das noch nicht genug wäre: ich hatte warmes Wasser!

 

Mai 1959

Nun ging es Schlag auf Schlag. Der Fortschritt war nicht mehr aufzuhalten! Es wurde tatsächlich eine zweite Kindergartenschwester nach Obernau geschickt. Das war keinen Augenblick zu früh, denn inzwischen waren 130 Kinder bei mir in der Obhut.

 

Herbst 1969

Schon wieder ein Jahr des Fortschritts: 147 Kinder wurden damals von nunmehr drei Vollzeitkräften betreut!

Mein Betreuungsfaktor sauste sozusagen rasant „in den Keller“. Von 1920 noch 80:1 über 1960 schon 65:1. Und nun 1970 war ich schon bei nur noch 50:1!

 

Januar 1972

Eine kleine Sensation für mich katholischen Kindergarten war’s ja schon: der St. Peter Paul Verein stellte mir seine erste „weltliche“ Kindergartenschwester ein!

 

5. Juli 1976

Die Schule war inzwischen längst in die Mozartstraße umgezogen, und ich durfte nun auch endlich nachkommen. Ich konnte es gar nicht glauben: ich war jetzt moderner Neubau! Mit vier Gruppen und je eigenen Ruheräumen und Toiletten!

Mit Verwaltungsräumen und – ihr glaubt es nicht: einem eigenen Turnraum und einem traumhaften Außengelände!

 

September 1979

Meine Kinderzahlen sanken nun plötzlich auf einen Tiefststand, fast wie vor hundert Jahren, auf unter 90 Kinder. Aber kein Krieg und keine Hungersnot. Was war nur los? Die Anti-Baby-Pille etwa?

 

September 1984

Der St. Peter Paul Verein hatte ganz schön was zu tun mit mir! Das hatten die sich wohl nach dem Neubau anders vorgestellt. Wer sollte denn das auch verstehen?

Nur fünf Jahre waren vergangen, und nun waren meine Kinderzahlen sogar so hoch, dass ich meine Plätze doppelt vergeben musste, um alle Kinder unterzubringen. Mal vormittags, mal nachmittags. Von Bedarfsplanung wohl keine Spur…

 

September 1990

Und so ging es auch noch weiter. Statt 100 Kinder waren inzwischen 167 Kindern angemeldet. Es zwickte mich in jedem Zimmer. Da war auch die Doppelbelegung im Kindergarten keine Lösung mehr für mich!

Der St. Peter Paul Verein baute mir wenigstens den Turnraum um zum Gruppenraum. Zähneknirschend… Das konnte keine Lösung sein, ich wünschte mir sehnlichst wieder geordnete Verhältnisse! Der Betreuungsfaktor lag nun bei fast 15:1. Inzwischen fand ich das viel zu viel für einen modernen Kindergarten wie mich!

 

1994

In der Jahnstraße wurde jetzt ein Notkindergarten in einer ehemaligen Näherei mit zwei Gruppen für meine vielen Kinder eingerichtet. Im dritten Stock, wenn‘s da mal gebrannt hätte!

Ein Außengelände groß wie eine Briefmarke und steil wie eine Skischanze! Der Bürgermeister versprach zum Millennium einen richtigen Kindergarten, doch nichts geschah. Das war frech. Diese „Notlösung“ sollte ganze 16 Jahre weilen!

 

September 2002 
Auch in der Mozartstraße war mir mein inzwischen 25 Jahre altes Kleid schon wieder viel zu eng geworden. Den Turnraum rückte der St. Peter Paul Verein nicht noch einmal heraus, soviel war klar.

Doch das Nachbargelände war noch unbebaut. Das konnte der Verein ergattern und besorgte mir so eine „Rucksack Gruppe“: ein nagelneuer Kindergarten-Pavillion wurde dort schnell errichtet. Das Provisorium zum Provisorium war geboren! Seit dieser Zeit hatte ich nie mehr weniger als 170 Kinder bei mir. Eher mehr. Darauf bin ich ganz schön stolz!

September 2008  
In meinem Inneren grummelte es: Einerseits hatte ich Kinderschwund bei den großen Kindern! Andererseits krabbelte es aber plötzlich überall! Nun richtete mir der St. Peter Paul Verein zum ersten Mal eine Krippengruppe ein: in meinem Pavillon entstand bald eine neue Mischgruppe mit unter Dreijährigen, ebenso im St. Christopherus Kindergarten.
Und ein Kinderhort war ebenfalls dazu gekommen, für die Mittags- und Ferienbetreuung. Ich hatte nun ein viel größeres Angebot. Toll! Und meine Vorschüler kamen als Erstklässler zurück - was für ein Wiedersehen!

2010
Ich denke wirklich nicht gerne an diese Zeit zurück. Was war das für eine entbehrungsreiche Zeit in der Mozartstraße, ständig hatte ich schmerzhafte Baustellen. Mir vibrierten die Fenster, Staub auf Wänden und Möbeln und im Garten die Planierraupenplage! Furchtbar…

Juli 2011 
Wun-der-bar! Es war, als wenn ein Schmetterling schlüpfte: plötzlich war ich ein ausgewachsenes Kinderhaus! Das größte in Aschaffenburg und Umgebung. Alle Gruppen unter einem Dach!
Adé Pavillion, adé Jahnstraße! Ich habe nun sogar einen Forscherraum mit einem menschlichen Skelett (Huhu), Mikroskop und Computer bekommen.
Das Beste ist aber die eigene Kantine! Und meine Außenanlagen: Sie waren verheilt und erblühten! Ich bin jetzt die Perle unter den Aschaffenburger Kinderhäusern und ganz Obernau ist begeistert. Über 170 Kinder zwischen einem und acht Jahren lernen und spielen seitdem bei mir. Mit insgesamt 35 Mitarbeitern bin ich ein großer Obernauer Arbeitgeber.

Danke, St. Peter Paul Verein. Das war gar nicht schlecht! 

April 2017
Wie schon vor 120 Jahren: viel zu wenig Plätze für mich in Obernau. Drei Krippen fehlen und sollen nun im Schnellverfahren entstehen. Aber wer sollte der Betreiber werden, falls es den St. Peter Paul Verein nicht mehr gäbe?

 

November 2017

Ich wachse weiter! Drei neue Krippengruppen sind in den Räumen der Volksschule entstanden.

Jetzt habe ich Platz für insgesamt 218 Kinder. 48 in der Krippe, 150 im Kindergarten und 20 im Hort.

 

 

 


 

(Quelle: Chronik von Obernau anlässlich der 800 Jahr Feier)